Vortrag an der Maria-Ward-Realschule, 23.11.2024, Burghausen

Liebe Zuhörer*innen, Liebe Zuhörende

Ich habe Sie mit einem Lied begrüßt, das Sie sich unbedingt nochmal anhören sollten. Marlene Bellissima singt eines meiner Lieblingslieder in der wunderbarsten Interpretation die ich kenne. Eine so wunderbare Stimme und Marlene ist trans*.

Vielleicht starten wir gleich mal mit einer Definition, was das bedeutet, trans* zu sein. Es kursieren ja Vorstellung in all unseren Köpfen, die mit der Realität von trans*Personen wenig zu tun haben und weder Verständnis noch Akzeptanz zeigen. 93% der trans*Personen in Bayern erfahren Diskriminierung.  

„Trans* Menschen“  wird bei der Geburt das falsche Geschlecht zugewiesen. Das Geschlecht entspricht nicht Ihrer Identität. Die Community bevorzugt den Begriff der Transidentiät und die Begriffe Transsexualität oder auch Transgender werden weniger benutzt, bzw. sollen weniger benutzt werden, weil sie nicht so treffend sind.

Um die Identität klar zu definieren, ist es üblich, dem Namen Pronomen zuzuordnen. In meinem Fall (ich bin eine CIS Frau) sind es die Pronomen sie/ihr oder she/her. Bei einer non binären Person, also ein Mensch, der sich weder als Mann noch als Frau empfindet können die Pronomen ganz weggelassen werden oder they/them benutzt werden. Eine non binäre Person stellt sich in der Regel mit den gewünschten Pronomen vor.  Gesprächsparter*innen sind hier gefordert. Das muss man tatsächlich üben. Pronomen in einem Gespräch wegzulassen ist gar nicht so einfach.

Ich werde oft gefragt, wie das sein kann. Was sich die Natur dabei gedacht hat … die Widerstände erlebe ich manchmal wirklich groß. Ich weiß es nicht und hier steckt die Forschung bestimmt noch in den Kinderschuhen. Ich persönlich finde einen anderen Ablauf der  frühen Entwicklung des embryonalen Gehirns, die die Ausbildung der gegengeschlechtlichen primären Geschlechtsmerkmale eben nicht unterdrückt sehr plausibel, evtl. mit einer genetischen Dispostion. Doch so genau weiß man das nicht. Was man weiß ist, dass die Gehirne von Mann und Frau anders funktionieren. Die Identität ist neuronal tief verwurzelt und kann nicht gemacht oder erzogen werden kann.

Ich weiß nicht, ob ich Trans* als Phänomen der Menschheit beschreiben darf. Es ist wichtig zu wissen, dass es in vielen Kulturen die Möglichkeit gab trans* zu leben. Auch die neue Bibelforschung geht davon aus, dass trans* bei so manchen Übersetzungen einfach unter den Tisch gefallen ist.

Für mich als Christin ist es gar keine Frage, auf welcher Seite Jesus gestanden hätte. Bestimmt nicht auf der Seite der diskriminierenden, diffamierenden CIS-Mehrheit. Ich möchte hier auch auf die Bewegung „out in church“ hinweisen. Mein Lieblingszitat in diesem Zusammenhang ist:

„Wir brauchen auch alle nicht LGBTIQ+ Menschen auf unserer Seite, damit auch wir die Chance bekommen selbstbestimmt, glücklich und ohne Angst leben zu können. Mich als Ally kostet es nichts, diese Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Für andere kann es alles bedeuten, diesen Rückhalt zu spüren.“ (Post von Welcoming out)

Die Aussage, dass die Identität nicht erzogen werden kann möchte ich hier doppelt und dreifach unterstreichen. „Ja, das muss man eben akzeptieren wie man ist“ höre ich oft am Anfang einer Diskussion. Aber tatsächlich geht es nicht um das Akzeptieren, sondern um Leben und Tod. Trans*Menschen können nicht umerzogen, umtherapiert werden oder was da so kursiert und was man sich als CIS Mensch vorstellen kann. Befasst man sich mit Biographien von Trans*Menschen gibt es oft den Punkt sich zu outen oder das Leben zu beenden. Der Leidensdruck ist so hoch und die Auswege erscheinen manchmal so unerreichbar.

Eine Transition ist kein Zuckerschlecken oder mal ein Ausprobieren. Es ist eine Entscheidung zu leben und sich dem Leben zu öffnen.    

Was ich auch noch unbedingt erwähnen möchte sind die signifikant häufigeren Neurodivergenzen, also z.B. ADHS und Autismus oder Autismus Spektrum Störungen. Ich habe in der Praxis auch eine Kombination mit selektiven Mutismus erlebt.  

Dagmar Pauli, eine Psychiaterin (Buchempfehlung am Ende meines Skripts) in der Schweiz beschreibt, dass Kinder, die an ihrer Identität zweifeln besser, psychisch stabiler sind, wenn die Umgebung diese Zweifel ernst nimmt und sie dabei unterstützt, den Weg zu finden. Lässt man die Heranwachsenden damit alleine, können sich schwere psychiatrische Störungen entwickeln. Depressionen zum Beispiel.

Was für Erziehende auch wichtig ist die Begleitung in einem ganz individuellen Weg, der ein eigens Tempo vorgibt. Auch die Schule kann hier eine große Unterstützung sein. Meine Tochter, die ihre Transition noch vor dem kürzlich in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz erlebt hat, hat von der Uni einen Studentenausweis mit dem neuen Namen erhalten und das hat schon viel geholfen. Die Gewissheit, dass alle Dokumente im Schulsafe verwahrt bleiben und darauf warten mit korrektem Namen und nicht mit dem „dead name“ ausgehändigt werden.

Ich habe das Abitur-Zeugnis meiner Tochter abgeholt und war gerührt mit welchem Mitgefühl die Schule reagiert hat. Bei uns übrigens alle offiziellen Stellen. Ja, ich war zu Tränen gerührt wie viel gute Wünsche wir bekommen haben.

Ich kann sie aus ganzem Herzen ermuntern, offen mit diesem Thema auseinanderzusetzen, sich zu informieren und bei Ihren Kindern zu bleiben und sie zu unterstützen.      

Meine Buchempfehlung ist:

Dagmar Pauli, die anderen Geschlechter, Nicht Binarität und trans*normale Sachen, München 2023

Hier können Sie unseren Flyer „Stimmtherapie bei Transidentität herunterladen“.

 

Auf dem Foto 1 von links nach rechts:

Bianca Deger, Trans*frau, Kathrin Zenger von der KEB, ich und Dr. Hans-Peter Eggerl von der queersensiblen Pastoral des Bistums Passau.